CHRONIK

In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg war das Zentrum die dominierende Partei in Billerbeck. Klerus, kirchliche Vereine und vor allem die örtliche Presse machten für das Zentrum Werbung und leisteten massive Wahlhilfe. Sie sicherten so den Zusammenhalt und den politischen Erfolg der Partei. Sozialdemokraten waren zwar auch vorhanden, sie wurden jedoch isoliert. Sie fühlten sich in ihrer Stadt missverstanden, oft sogar missachtet und an den Rand gedrängt.

In den Billerbecker Wahlergebnissen war die Sozialdemokratische Partei seit der Reichtagswahl 1893 vertreten. Das Zentrum erhielt zwar noch 99 Prozent der Stimmen, aber zwei Stimmen entfielen auf den Sozialdemokraten August Bebel, der als Zählkandidat aufgestellt worden war, weil die Sozialdemokraten in dieser Region damals noch zu schwach waren, um einen eigenen Kandidaten aufzustellen. In einem Kommentar der örtlichen Zeitung zum Wahlausgang hieß es damals:
>>… August Bebel, ein Atheist  (Gottesleugner ) und Apostel der freien Liebe. Derselbe hat es in unserem Städtchen auf zwei Stimmen gebracht, was wir im Interesse der Sache sehr bedauern, um so mehr, weil diese beiden Stimmen mitgezählt werden. <<

Im November 1918 brach das deutsche Kaiserreich zusammen, die Republik wurde von der SPD ausgerufen. In Billerbeck, wie auch anderswo, übernahmen sogenannte Räte die Macht. Der Rat in Billerbeck, der sich >> Arbeiter- und Bauernrat << nannte, bestand aus 24 Abgeordneten. Auf je 200 Einwohner entfiel ein Abgeordneter, so dass die Stadt 7, das Kirchspiel 11 und die Beerlage 6 Ratsmitglieder stellten. Die Arbeitnehmer, die den Hauptteil der Bevölkerung ausmachten, waren in dem >> Arbeiter- und Bauernrat << unterrepräsentiert. Von 27 Räten stellten sie 6. Gegen diese Situation erhob sie jedoch kaum Protest, weil es nur wenige Industriearbeiter gab und Knechte und Kleinstkötter in ihrer Existenz abhängig waren. Sozialdemokraten, die bei den Wahlversammlungen kritisch ihre Stimme erhoben, wurden >> geschickt << ausmanövriert. Die soziale, konfessionelle und politische Struktur Billerbecks hatte sich seitdem nicht grundsätzlich verändert. Immer noch war es üblich, Zentrum zu wählen. >>Wer dies nicht tat, war eben kein anständiger Billerbecker. <<  Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass bei der Wahl zur Nationalversammlung am 22. Januar 1919 in der Stadt 90 Prozent und im Kirchspiel sogar 98 Prozent der Wähler Zentrum wählten. Die SPD hatte einen schweren Stand. Sie erhielt bei dieser Wahl in der Stadt 35, im Kirchspiel 12 und auf der Beerlage 14 Stimmen. Wen wundert es, fordert die Kirche doch offen dazu auf, Zentrum zu wählen, während Sozialdemokraten mit Antichristen gleichgesetzt wurden! So ist beispielsweise in einer Zeitungsanzeige vom 15. Januar 1919 über die Sozialdemokraten zu lesen: Sind sie Christen? Heraus mit der Sprache!
Christliche Männer und Frauen aller Konfessionen,
lasst Euch nicht betören!
Die Mächtigen versuchten alles, Sozialdemokraten aus Billerbeck fernzuhalten. Um sich gegen sogenannte sozialistische Umtriebe zu schützen, beriet man im Februar 1919 im >> Arbeiter- und Bauernrat << über die Einrichtung einer Bürgerwehr. Dazu suchte man Leute, die es verstanden, mit einer Waffe umzugehen. Die SPD führte während der gesamten Zeit der Weimarer Republik ein Ghettodasein. Bemühungen, Vorurteile aufzubrechen, blieben ohne Erfolg. Immer wieder mussten sich die Sozialdemokraten der Angriffe von rechts erwehren. Bei dieser Rückschau drängt sich uns die Frage auf, warum die SPD in den Jahren der Weimarer Republik hier vor Ort nicht auf die Unterstützung des Zentrums zählen konnte, bildeten doch die SPD und Zentrum im Reichstag sowie im preußischen Landtag über viele Jahre Koalitionen.
Deutschland erlebte im Frühjahr 1945 die >> Stunde Null <<. Das Ende des Krieges brachte eine Umkehrung der politischen Verhältnisse. Das >> Deutsche Reich << hatte aufgehört zu existieren. Die Staatsgewalt lag bei den jeweiligen Besatzungsmächten. Schwerer als die ungeheuren Materialverluste durch den Krieg wog für den Neuaufbau der Tod von Millionen Menschen. Viele der aktivsten und fähigsten und für den Aufbau eigentlich unentbehrlichen Politiker der jungen Generation, vor allem die aus den >> Linksparteien <<, waren im Konzentrationslager oder als Beteiligte im Widerstand umgebracht worden. Sozialistische Organisationen hatte der Faschismus total zerschlagen.
Am 30. März 1945 überschritten englische Panzerverbände die westliche Grenze zum Kirchspiel Billerbeck. Die britischen Besatzer übernahmen die öffentliche Organisation und Kontrolle Billerbecks. Da auch in Billerbeck die alten Verwaltungsstrukturen aufgehoben waren, setzten die Engländer eine provisorische Verwaltung ein. Amtsbürgermeister der drei Billerbecker Gemeinden – Beerlage, Kirchspiel, Stadt- wurde Heinrich Fasse.
Nachdem die notdürftige Verwaltung mit zwei Mitarbeitern installiert worden war, galt es, die dringlichsten Alltagsprobleme zu bewältigen. Die erste Sorge derjenigen, die das Ende erlebten, galt hier wie überall nicht der Politik, sondern eher der Erhaltung des nackten Lebens. Folglich musste die benannte Verwaltung für die Sicherung der elementaren Lebensbedingungen sorgen: Wohnraum musste geschaffen, die Bevölkerung mit Nahrung versorgt werden. Eine schwierige Aufgabe, schließlich mussten in Billerbeck neben den Einheimischen noch 2700 notleidende Vertriebene und Evakuierte versorgt werden.
Trotz der politischen Lähmung nach dem Terror der Naziherrschaft erwachte allmählich wieder  das Interesse an politischen Aktivitäten. Im Frühsommer 1945 bildeten sich auf örtlicher Ebene die ersten Gruppen, aus denen später Parteien hervorgingen.
Auf der Konferenz von Potsdam ( 17. Juli bis 2. August 1945 ) hatten sich die Vertreter der Alliierten geeinigt, alle demokratischen Parteien zu erlauben. Darauf gestattete am 15. September 1945 die auch für Billerbeck zuständige britische Militärregierung die Gründung von Parteien. Jede örtliche Gründung benötigte dafür die Lizenz der zuständigen Besatzungsbehörde.Aus einem Schreiben vom 9. März 1946 „An die Amts- und Stadtvertretung in Billerbeck “ geht hervor, dass die SPD Billerbeck am  24. Oktober 1945 von der Militärregierung genehmigt worden ist, zu einer Zeit, als noch keine Partei gegründet war.

SPD Billerbeck        9.3.1946

An die Amts- und Stadtvertretung!

Die SPD stellt fest: Die SPD Billerbeck ist am 24. Oktober 1945 von der Militärregierung genehmigt worden, zu einer Zeit, als noch keine Partei genehmigt war. Es ist dies sofort der Polizeiverwaltung gemeldet worden . Betreffs der Ernennung von Beiräten ist seinerzeit von der Militärregierung die Bestimmung herausgegeben worden, wonach die gesamten Beiräte von den Bürgermeistern im Einvernehmen mit den Parteien vorgeschlagen werden sollen.
Die Verfügung lautet wörtlich:“ Die Bürgermeister haben sich mit den Parteien in Verbindung zu setzen und mit diesen die
Kandidaten für den Beirat vorzuschlagen. Falls die Bürgermeister dies nicht tun, so sind sie keine demokratischen Bürgermeister und haben demnach kein Recht auf ihr Amt.“  Eine Einladung zum Zwecke einer Kandidatenaufstellung ist nicht erfolgt. Es war deshalb auch nicht möglich, die Anzahl der der Partei zustehenden Beiräte zu benennen. Wir werden in einer Anlage das Verhältnis zu korrigieren versuchen und hoffen auf volles Verständnis seitens der Amts- und Stadtbeiräte. Die SPD müsste jegliche Zusammenarbeit ablehnen, falls die von ihr gemachten Vorschläge nicht beachtet würden.

Der Vorstand der SPD Ortsgruppe
Billerbeck
H. J. Evelt
1. Vorsitzender

2. Vorsitzender
Bäumer

Schriftführer
H. Rose

Trotz aller Hemmnisse und Tiefs, die sich dem organisatorischen Aufbau in den Weg stellten, ging es voran und aufwärts, bis heute. Die Billerbecker SPD entwickelte sich zu einer munteren Gruppe engagierter, zuverlässiger Leute, die verstanden und verstehen, in den Gremien konstruktive Arbeit zu leisten und die darüber freundschaftlich miteinander verbunden sind. Machtgerangel und Pöstchenschieberei sind den Genossen fremd, Versammlungen der Billerbecker Sozialdemokraten sind stets gut besucht, und einmal im Jahr findet man sich zusammen um gemeinsam zu wandern und ein Sommerfest zu feiern. Je geschlossener die Partei auftrat, desto größer wurde die Akzeptanz in der Billerbecker Bevölkerung, sichtbar an den Erfolgen bei der letzten Kommunalwahl.

Hermann- Josef Evelt, Bombeck, 1946

Bernhard Pilcher, Münsterstraße, 1946

Heinrich Geldmacher, Richtengraben, 1947

Fritz Mischke, Lange Straße, 1947-1953

Carl Gotsch, Hamern, 1953

Fritz Mischke, Lange Straße, 1954-1961

Alfred Victor, Eichenweg, 1961-1970

Gotfrid von Miquel, Temming, 1970-1973

Herbert Suwelack, Münsterstraße, 1973-1975

Gerd Skusa, Langenhorst, 1975-1977

Hans-Jochen Bühner, Baumgarten, 1977-1978

Gabi Mönning, Nordstraße, 1978 – 2006

Sarah Bosse- Berger, 2006 – 2013

Carsten Rampe, 2013 – 2022

Patrick Dieker, seit 29.04.2022